Freitag, 23. Januar 2009

Kapitel 2

Es hatte Zeichen gegeben. Zeichen, die sie niemals hätte übersehen dürfen.
Wo war sie nur mit ihren Gedanken gewesen, als sie an diesem Morgen die Tore zum Naturhistorischen Museum in Frankfurt geöffnet und durch die Lobby mit dem riesigen Dinosaurier Skelett gegangen war.
Sie hätte spüren müssen das jemand hier war, sie nicht allein gewesen war.
Ann-Kathrin saß an dem Tresen, wo normalerweise die Informationsdame saß und mehr oder weniger wichtige und interessante Fragen der Museumsbesucher beantwortete. Sie hatte den Kopf in die Arme gelegt und eine Träne rann über ihre Wange und tropfte vor ihr auf den Boden.
Ein Polizist stand neben ihr und telefonierte.
“Ja, wir brauchen hier dringend die Spurensicherung. Ja im Museum,” er fluchte, “das habe ich ihnen doch schon alles gesagt. Nein es gab keine Toten und verletzten. Die Chefarchäologin ist sich jedoch sicher das einige der alten Schriften aus dem Scriptorium des Museum gestohlen worden sind.”
Der uniformierte wandte sich ab und telefonierte etwas Abseits weiter. Ann-Kathrin kämpfte mit den Tränen die Schmerzen, die sie durch den Schlag auf den Hinterkopf erlitten hatte waren nicht schlimm. Es war der Schock gewesen der sie so mitgenommen hatte.

Am Morgen war sie schon mit einem schlechten Gefühl aufgewacht. Träume und schlechte Gedanken hatten sie auch schon in der vorhergehenden Nacht geplagt. Als sie aufgestanden war und sich angezogen hatte, war sie auf dem Weg zum Bad ausgerutscht und mit dem Kopf an den Schrank geschlagen. Sie hatte geschrien und geflucht wie ein Rohrspatz, aber es hatte ja nichts genutzt.
Ann-Kathrin war 29 Jahre alt, hatte mit 26 Ihr Studium der Archäologie beendet und nach einem kurzen Aufenthalt auf einer Grabungsstätte in Mexiko ihren Doktor der Archäologie in Mittelamerikanischer Geschichte gemacht. Kurze Zeit später war sie an das Naturhistorische Museum in Frankfurt gekommen. Ihre Mutter, ebenfalls Archäologin und Expertin für mittelalterliche Geheimcodes und Chiffren, hatte hier gearbeitet kurz bevor sie bei einer Arbeit im Jerusalemer Tempel Bezirk verschwunden war. Ihren Vater, ein US-Amerikanischer Offizier, der vor Jahren hier in Deutschland auf der Air-Force Base in Wiesbaden stationiert gewesen war, hatte sie niemals kennen gelernt, wollte sie auch nicht. Warum sollte sie einem Fremden gegenüber, dessen Blut sie zufällig in ihren Adern hatte, Liebe und verwandtschaftliche Gefühle heucheln? Ihr Mutter hatte sie auch immer wieder versucht zu überreden doch mal ihren Vater zu besuchen. Aber Ann-Kathrin war hart geblieben. Dann war sein Flugzeug zu beginn der Irak-Invasion während eines Aufklärungsfluges über dem Nord-Irak von einer Flugabwehr-Rakete abgeschossen worden. Ihre Mutter Anette Schüller, hatte die Nachricht erhalten und ihr mit bleichem Gesicht den Tot ihres Vaters an einem Abend mitgeteilt. Ann-Kathrin spürte keine Trauer, es war ihr egal gewesen. Sie hatte diesen Mann, dessen Namen sie trug, nicht gekannt. Mr. Brown war für sie ein fremder.

Jetzt saß Ann-Kathrin Brown, Chef-Archäologin des Mittelamerikanischen Instituts des Naturhistorischen Museum von Frankfurt am Main auf dem Stuhl der Empfangsdame und zitterte. Sie hatte keine Angst mehr, auch der Schrecken war verflogen. Sie zitterte vor Wut.
Wut die sich gegen sie selber richtete. Sie hatte gespürt das irgendetwas nicht in Ordnung war. Schon heute morgen als sie kurz nach dem Aufstehen auf dem Weg zum Bad ausgerutscht war und sich den Kopf am Schrank gestoßen hatte. Sie hatte es gesehen in der Nacht, als sie nicht schlafen konnte und der Mond ihr durch das offene Fenster ins Gesicht geschienen hatte. Und dann als sie den Schlüssel in das Schloss der großen schweren Panzerglastür gesteckt hatte, die das Eingangsportal des Museum verschloss.
Der Brief kam ihr wieder ins Gedächtnis. Sie hatte über die schmierige, kindliche Handschrift gelacht, die ihr anscheinend Angst machen sollte.
“Es gibt etwas was ihnen nicht gehört. Wir werden es uns holen.”
Diese beiden Sätzen waren die einzigen gewesen, die in dem Brief gestanden hatten. Ann-Kathrin hätte sie ernst nehmen und nicht einfach in den Papierkorb werfen sollen. Sie hatte es für einen dummen Jungen Streich gehalten. Doch jetzt wusste sie es besser.

Vor vier Tagen hatte ein Kurier einen großen DinA4 Umschlag am Empfang abgegeben. Er war an sie adressiert gewesen. Ein Bote des Museums hatte ihn sofort an sie weitergeleitet. Da sie in den hinteren Räumen des Museums damit beschäftigt war, einen Fund, der gerade aus Mittelamerikaner eingetroffen war auszupacken und zu katalogisieren. Robert McDougal hatte in einem Tempel-Bezirk der Maya im Dschungel von Guatemala, der Ausgrabungsstätte ihres Kollegen, einen unversehrten Sarkophag eines Maya-Fürsten gefunden und die Beigaben zur ihr nach Frankfurt geschickt.
Ann-Kathrin hatte den Umschlag in Empfang genommen und diesen sofort geöffnet. Gefunden hatte sie diese beiden lächerlichen Sätze darin, die sie sofort zum Lachen gebracht hatte. Sie hatte den Brief samt Umschlag sofort zerrissen und die Einzelteile zerknüllt in den Papierkorb geworfen.

Ein Polizist stand jetzt neben Ann-Kathrin und nahm ihre Aussage auf.
“ Sie hatten die Tür geöffnet und waren dann in die Empfangshalle getreten? Richtig?” der Polizist schrieb alles mit was sie sagte.
“Genau. Zuvor habe ich die Tür allerdings von innen auch wieder abgeschlossen, da das Museums ja erst um 10 Uhr öffnete.” Sie überlegte kurz und fuhr dann fort. “Ich ging zum Empfangstresen um die Alarmanlage für die hinteren Bereiche des Museums, wo ich zur Zeit die Funde aus Guatemala katalogisiere, auszuschalten.” Sie seufzte und fuhr dann fort. “Als ich den Gang zu meinem Arbeitszimmer hinunter ging hörte ich ein Geräusch. Es hörte sich an wie zerbrechendes Holz. Ich blieb stehen und lauschte. Wieder dieses Geräusch und es kam aus meinem Arbeitszimmer. Vorsichtig ging ich weiter.” Bei dem Gedanken klopfte ihr wieder das Herz, wie es vor nicht einmal 3 Stunden geklopft hatte als sie in dem dunklen Gang stand und ihr sofort wieder dieser lächerliche Brief eingefallen war.
“Es gibt etwas was ihnen nicht gehört. Wir werden es uns holen.”
Was war es nur gewesen?
Ann-Kathrin seufzte noch einmal schwer. Warum hatte sie nicht auf den Brief geachtet. Sie hätte ihn an die Polizei weiterleiten können und der Einbruch, wäre vielleicht vereitelt worden.
“Und was passierte dann?” fragte der Polizist leicht genervt.
“Naja,” sagte Ann-Kathrin,” danach kann ich mich an nichts mehr erinnern bis auf den Schlag auf den Hinterkopf, danach ist alles weg.”

Als Ann-Kathrin wieder zu sich gekommen war, war sie in ihr Arbeitszimmer getaumelt und hatte den Schaden gesehen. Der gesamte Guatemalanische Fund war durchwühlt und die Keramiken teilweise zerstört worden. Ihre Bücher waren aus den Regalen geworfen worden und lagen nun zerstreut und zerrissen auf dem Boden herum. Das Fenster war geschlossen.
Sie hatte den Telefonhörer abgenommen und sofort den Museumsdirektor und danach die Polizei angerufen.

“Wissen wir schon was fehlt!” rief ein kleiner, gedrungener Mann, der gerade durch die Eingangstür des Museums gerannt kam. Er war rot angelaufen und schnaufte wie eine anfahrende Dampflokomotive. Seine Krawatte schwankte dabei hin und her wie der schwere Pendel einer alten Standuhr. Sein runder Kopf, der auf einem kurzen Hals ebenfalls hin und her pendelte, glänzte vor Schweiß und sein Haarkranz, der aussah als wäre sein Besitzer gerade erst aus dem Bett gestiegen, zitterte vor Aufregung.
Er lief schnurgerade auf Ann-Kathrin zu. Der Polizist schmunzelte als der kleine, runde Mann die große, schwarz-haarige Schönheit umarmte und mit seinem Kopf gerade mal bis zu ihrem Hals reichte.
“Nein, Karl, wissen wir noch nicht. Ich bin noch nicht dazu gekommen genau nachzusehen. Die Polizei ist noch drin und ich…”
“Schon gut,” sagte der kleine Mann und schaute Ann-Kathrin dabei mitleidig an, “Hauptsache dir ist nichts passiert.”
Ann-Kathrin lächelte gequält.

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